Review zu Dragon Age: Inquisition - ein Epos in gut 100 Stunden

Sa, 20.12.2014, Geschrieben von Jezebel

Vor wenigen Tagen gewann Dragon Age: Inquisition den Game-of-the-Year-Award 2014. Zu Recht? Ich hatte in den letzten Wochen das Vergnügen, dieses bereits im Vorfeld viel gelobte Fantasy Rollenspiel für Dragon-Age-Game.de zu testen. Mein herzlicher Dank geht an dieser Stelle an Electronic Arts für die Bereitstellung der Digital Deluxe Edition für PC des Spiels.

Mein Bericht basiert auf den Erfahrungen und Eindrücken, die ich beim erstmaligen Durchspielen der Geschichte in etwas mehr als 101 Stunden gesammelt habe. Da ich weder ein Technik-Nerd bin, noch allzu großen Wert auf möglichst taktisch geführte Schlachten lege, werde ich mich eher auf story-relevante Gesichtspunkte und die subjektiven Eindrücke eines Casual Gamers beschränken. Auf Grund der Tatsache, dass bei BioWare Rollenspielen die Story das wichtigste Element ist, werde ich dabei versuchen, Spoiler weitestgehend zu vermeiden.

Der Held

Eines muss ich jedoch an den Anfang stellen: gleich die ersten Sekunden des Spiels waren für mich ein Highlight, das mich sofort in den Bann der Geschichte gezogen hat. Doch bevor man zur eigentlichen Handlung gelangte, hieß es zunächst, den eigenen Helden zu erstellen. In Dragon Age: Inquisition kann der Spieler, wie im Vorgänger Dragon Age: Origins, aus verschiedenen Rassen und Klassen wählen. Zu den bereits bekannten Menschen, Elfen und Zwergen kommen dieses Mal auch Qunari jeweils als Krieger, Schurken oder Magier hinzu. Je nach Wahl von Rasse und Klasse hat der Held eine eigene Herkunftsgeschichte, die allerdings bei weitem nicht so umfangreich ist, wie noch in Dragon Age: Origins, im Laufe des Spiels allerdings zu unterschiedlichen Missionen und Gesprächsoptionen führt. Dafür hat es die optische Gestaltung des Helden von Dragon Age: Inquisition in sich. Der völlig neu gestaltete Charakter Editor ist so umfangreich, dass es wohl kaum zwei identisch aussehende Inquisitoren geben dürfte. Jedes mögliche Detail kann hier individuell festgelegt werden, und sei es nur die Größe der Nasenspitze oder die Farbe der inneren Iris des Auges. Am Ende hat mich die Erstellung meiner Magierin gut eine Stunde "Spiel"zeit gekostet, was jedoch keineswegs verschenkte Zeit war. Einziger Kritikpunkt, der sich leider wie ein roter Faden durch die Dragon Age Reihe zieht, ist die Darstellung der Haare. Nicht nur die dieses Mal recht spärliche Auswahl an wirklich weiblichen Frisuren auch die sehr plastikartige und glänzende Erscheinung waren für mich ein Wermutstropfen im ansonsten grandiosen Editor.

Die Grafik

Betritt man nun erstmals die Welt von Thedas zur Zeit von Dragon Age: Inquisition, fällt einem sofort die sehr aufwändig und detailgenau gestaltete Landschaft auf. Jedes der im Laufe des Spieles zu erkundenden Gebiete hat einen ganz eigenen Charme. Die Gebiete sind ungewohnt weitläufig und wecken mit ihren verschiedenen Extras (Sammelobjekte, Höhlen, Rätsel) den Entdeckertrieb im Spieler. Die Grafik ist beeindruckend und die Umgebungen sind sehr abwechslungsreich und teilweise liebevoll bis ins Detail gestaltet. So kann es schon einmal vorkommen, dass irgendwo in der Wildnis ein nicht ganz unbekanntes Buch ein Stillleben auf einem Gartentisch bildet. Diese kleinen Extras brachten für mich immer wieder etwas Auflockerung in die schier endlosen Erkundungen, bei denen man gerade zu Beginn des Spiel ab und zu etwas verloren gehen konnte.

Die Geschichte/Quests

Der Einstieg ins Spiel erfolgt zügig und unproblematisch, allerdings wird der Spieler relativ schnell mit unglaublich viel Content regelrecht überhäuft. Auf Grund der Fülle von Aufgaben und Möglichkeiten wusste ich bisweilen nicht, was genau ich als nächstes erledigen sollte. Dreh- und Angelpunkt der Inquisition ist der Kartentisch im Ratsraum, von dem aus Gebiete zur Erkundung frei geschaltet, Missionen der Berater initiiert und vor allem der Fortgang der Hauptstory entschieden werden können. Die einzelnen Gebiete und die darin zu findenden Gegner stellen unterschiedliche Anforderungen an den Spieler, so dass Aufgaben und Quests teilweise erst zu einem späteren Zeitpunkt mit entsprechendem Charakterlevel angegangen oder vollendet werden können, was ich anfangs als etwas ungewohnt empfand. Auch in der Hauptquestreihe entscheidet der Spieler, wann die Geschichte fortgesetzt wird und vor allem, welchem Pfad der Geschichte er folgen möchte. Dabei ist die Hauptgeschichte spannend und mitreißend aufgebaut. In typischer BioWare Manier wird der Spieler vor Entscheidungen gestellt, bei denen ich teilweise dachte: das könnt ihr jetzt nicht ernsthaft von mir verlangen?! Die packende Inszenierung, begleitet von dem grandiosen Soundtrack von Trevor Morris und der in den meisten Fällen sehr guten deutschen Synchronisation haben bei mir tatsächlich zu der einen oder anderen Träne im Augenwinkel geführt. Allein schon auf Grund der unterschiedlichen Entscheidungsmöglichkeiten ist hier bereits die Motivation gegeben, in einem nächsten Spieldurchgang die andere(n) Option(en) auszuprobieren.

Die Charaktere

Wie in jedem BioWare Rollenspiel sind die Begleiter auch in Dragon Age: Inquisition ein ganz wesentlicher Aspekt. Neben den neun potentiellen Begleitern stehen dem Inquisitor auch drei Berater zur Seite. Die Charaktere sind sehr unterschiedlich in ihren Persönlichkeiten angelegt und sicher gewollt auch teilweise reine Geschmackssache. Als Inquisitor kann der Spieler sehr intensive Dialoge mit seinen Gefährten führen und je nach Gruppenkonstellation ergeben sich unterwegs teils sehr amüsante Wortgefechte. Mit den grandios-zänkischen Begleiterdialogen zwischen Alistair und Morrigan in Dragon Age: Origins wurde die Messlatte für derartige Gespräche allerdings in der Vergangenheit sehr hoch gelegt und zumindest im jetzigen ersten Spieldurchgang gab es wenig vergleichbares für mich. Ob einige der Begleiter tatsächlich eher langweilig sind oder ich sie schlicht zu wenig kennengelernt habe, wird sich zeigen. Wie in den Vorgängerspielen kann der Held auch in Dragon Age: Inquisition romantische Beziehungen zu seinen Begleitern und Beratern eingehen. Diese sind teilweise geschlechts- und rassenbeschränkt. Die von mir gewählte Romanzenoption war sehr schön und eher romantisch aufgebaut und passte hervorragend zum Charakter und zur Entwicklung des Auserwählten.

Generell ist die Entwicklung der Charaktere in meinen Augen ein ganz großer Pluspunkt des Spieles. Wer sich schon länger mit dem Dragon Age Universum beschäftigt hat, wird sich über das Wiedersehen mit einigen alten Bekannten freuen. Dass diese zumindest zum Teil optisch sehr verändert waren, ist dem Wechsel auf die neue Frostbite Engine geschuldet und muss wohl leider so akzeptiert werden. Durch die Bereitstellung der Dragon Age Keep kann der Spieler im Vorfeld eine ganz eigene Ausgangssituation für Dragon Age: Inquisition kreieren. Die wesentlichen Eckpunkte aus beiden Vorgängerspielen, sowie eine Vielzahl von teils nebensächlich erscheinenden Entscheidungen können in der Keep festgelegt werden und dann als World State in das neue Spiel importiert werden. Als sehr schön empfand ich die Tatsache, dass viele der bekannten Charaktere auf die eine oder andere Art Erwähnung fanden, so dass man über die alten Weggefährten zumindest etwas erfahren hat. Insgesamt fand ich die Verknüpfungen sowohl zu den beiden Vorgängerspielen, als auch zu den Büchern der Dragon Age Reihe sehr genial und ich habe mich jedes Mal gefreut wie ein Kind unterm Weihnachtsbaum. Dieses Zusammenführen verschiedener Geschichten und Handlungsstränge war für mich ein herausragendes Erlebnis, für neue Spieler mag die Vielzahl an Namen und Ereignissen eventuell eher verwirrend sein.

Das Spiel

Dragon Age: Inquisition bietet vier verschiedene Schwierigkeitsgrade von leicht bis hin zu Albtraum an. Dieses kann man zu Beginn des Spieles festlegen, aber auch noch während des Spielens anpassen. Da ich kein Freund langer erbitterter Kämpfe bin, habe ich auf "entspannt" gespielt und konnte mich somit ganz auf Erkundungen und Story konzentrieren. Sowohl Steuerung (Maus und Tastatur) als auch der Gebrauch der Minimap waren anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, aber recht schnell meisterbar. Auch der Wegfall von Heilzaubern und die Begrenzung von Heiltränken waren zunächst ungewohnt, stellten nach kurzer Zeit aber, zumindest auf der einfachsten Schwierigkeitsstufe, keinerlei Problem dar. Ein neues und in meinen Augen sehr gutes und hilfreiches Element des Spieles ist das Crafting. Der Spieler kann Materialien und Rezepte sammeln oder erwerben und damit selbst Waffen und Rüstungen für seine Gruppe herstellen. Anfangs erschien das System sehr unübersichtlich, aber wenn man ein paar Teile hergestellt hat, wird die Crafting Prozedur zur echten Bereicherung des Spieles.

Da die Kämpfe bei meinem Spielstil eine eher untergeordnete Rolle spielten, kann ich dazu sowie zur Verwendung der Taktikansicht nichts sagen. Erwähnen möchte ich allerdings die recht aufwendigen Animationen, die für Nahkämpfer allerdings auf Grund der Vielzahl etwas störend sein können. Insgesamt gefiel mir die Animation im Spiel gut, gerade wenn der Charakter einen Berg erklimmen wollte und dabei entsprechend langsamer wurde und schnaufte. Etwas seltsam dagegen wirkte die Animation beim Leitern hochklettern oder dem neu eingeführten Springen des Charakters. So praktisch und spielbereichernd das war, so wirkte es doch eher unfreiwillig komisch und birgt durchaus Verbesserungspotential.

Fazit

Nach 101 Spielstunden, in denen ich 224 Quests erledigt und meinen Inquisitor auf Level 22 gespielt habe, ist die Welt von Thedas gerettet. Vorerst. Für mich ist Dragon Age: Inquisition ein Fantasy Rollenspiel der Extraklasse, das besonders durch seine Geschichte und seine Charaktere besticht. Der Umfang an Gameplay Content ist gewaltig und dabei abwechslungsreich und motivierend. Die Hauptgeschichte ist sehr packend inszeniert und hat auch Dank des genialen Soundtracks wahrhaft epische Momente. Kleinere Bugs und Probleme wurden inzwischen mit einem Patch und anschließendem Hotfix weitestgehend behoben, was bei einem Spiel dieses Umfangs heutzutage nicht selbstverständlich ist. Natürlich gibt es auch in Dragon Age: Inquisition noch Verbesserungsmöglichkeiten - sowohl in der Grafik (Haare, Animationen) als auch in der Gestaltung der Dialoge (Perspektivenwechsel) und Begleitergespräche (Häufigkeit) oder im Gameplay an sich. Dennoch glaube ich, dass das Spiel zu Recht den Game-of-the-Year-Award 2014 und den Titel "Rollenspiel des Jahres" gewonnen hat. Es hat mich vom ersten Moment begeistert und hat definitiv Wiederspielwert.

Gameplay 8,7 / 10
Story 9,5 / 10
Grafik 8,3 / 10
Soundtrack 9,5 / 10
Deutsche Lokalisierung 9,0 / 10
Gesamt 9,0 / 10