Review: Der Abstieg

Die Dragon Age-Reihe hat eine interessante Tradition: Für jedes Dragon Age-Spiel erscheint früher oder später ein Story-Zusatzinhalt, welcher den Protagonisten des Spiels in die Tiefen Wege führt, wo ein uraltes Geheimnis aufgedeckt wird. In Dragon Age: Origins geschah das damals mit dem „Die Golems von Amgarrak“-DLC, in Dragon Age II mit dem „Das Vermächtnis“-DLC. Und ebendiese Tradition wird nun in Dragon Age: Inquisition fortgesetzt, denn ein weiteres Mal führt euch eine Storyerweiterung zu Dragon Age in die berüchtigten Tiefen Wege!

Es geht abwärts

Die Story von „Der Abstieg“ ist schnell erklärt und klingt erstmals nicht sonderlich prickelnd. Die Inquisition hat Meldung aus der berühmten Zwergenstadt Orzammar erhalten, deren wichtigste Lyrium-Einnahmequelle in den Tiefen Wegen aufgrund von plötzlichen Erdbeben nicht mehr sicher ist. Daher liegt es nun natürlich an der Inquisition, dem Mysterium dieser regelmäßigen Erdbeben nachzugehen. Der Name „Der Abstieg“ ist dabei Programm, denn während des ganzen Abenteuers bewegt ihr euch mit zwei temporären neuen Zwergengefährten ständig weiter nach unten in die Tiefen Wege vor – und sogar darüber hinaus.

Im Gegensatz zu den ganzen riesigen Oberwelt-Abschnitten des Hauptspiels erwartet euch hier allerdings nicht wie beim vorherigen DLC „Hakkons Fänge“ einfach nur eine weitere große Oberwelt. Nein, hier geht es recht linear zur Sache und ihr könnt im Grunde immer nur einem strikten Pfad folgen. Zwar gibt es hier und da kleinere Abzweigungen, welche wiederum an optionale Orte führen, diese sind aber kaum erwähnenswert und in wenigen Minuten bereits vollständig erkundet. So fühlt sich „Der Abstieg“ Location-bedingt deutlich mehr wie die ersten beiden Dragon Age-Ableger an. Ob das gut oder schlecht ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.

„Der Abstieg“ täuscht mit schicken Panorama-Ausblicken gerne den Eindruck eines weitläufigen Areals vor, doch vom vorgesehenen Pfad abzukommen ist kaum möglich.

Doch natürlich kommt die Macht der Inquisition auch in den Tiefen Wegen voll zum Einsatz. Auf einem neuen Operationstisch in eurem provisorischen Lager könnt ihr wie schon in der Himmelsfeste diverse Aufträge von euren drei Beratern erfüllen lassen und so meistens weitere optionale Ortschaften freischalten und gleichzeitig euren mittlerweile wahrscheinlich viel zu hohen Machtrang endlich wieder etwas reduzieren. Doch wie oben bereits erwähnt hält sich die Begeisterung über diese optionalen Locations stark in Grenzen, denn wirklich viel freiwilligen Zusatzcontent sucht man hier vergeblich.

Selbiges gilt auch für die Nebenquests, denn diese reduzieren sich tatsächlich nur auf die Suche nach Zahnrädern, mit welchen ihr diverse Türen öffnen könnt, welche wertvolle Belohnungen bewahren könnten. Wie ihr euch an dieser Stelle vielleicht bereits denken könnt, ersetzen besagte Zahnräder die Scherben aus dem Hauptspiel und „Hakkons Fänge“. Ebenfalls werdet ihr in den Tiefen Wegen eine Menge Werkstoffe vorfinden, welche bisher im Hauptspiel teilweise nur schwer zu ergattern sind. Ein Händler im Lager bietet sogar einen ganzen Haufen der seltenen Werkstoffe zum Spottpreis an, was die Frage aufwirft, ob das die ursprüngliche Suche nach ihnen nicht wertlos macht.

Zusätzlich muss man hierbei noch erwähnen, dass diese seltenen Werkstoffe für einen noch billigeren Preis im Schwarzen Emporion -einem wohlgemerkt kostenlosen DLC- angeboten werden, wenn auch in geringerer Menge. Aus diesem Grund ist auch der neue Werkstoffe-Shop in den Tiefen Wegen nicht wirklich von großer Wichtigkeit und nur für ernsthafte Dauercrafter einen Blick wert.

Wofür Drachen erschlagen, wenn man ihre Überreste auch einfach kaufen kann?

Die Kinder des Steins

Während „Der Abstieg“ in Sachen Umfang alles andere als zu glänzen vermag, hat der DLC allerdings durchaus auch seine Stärken. Allen voran ist das die Story rund um die Ursache der Erdbeben, welche zwar recht langweilig und unspektakulär beginnt, mit den tieferen Etagen der Tiefen Wege allerdings stetig interessanter wird. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Spannungskurve der Geschichte, sondern auch auf die Tiefen Wege selbst. Denn diese waren bisher noch nie sonderlich attraktive Orte und wirkten stets recht karg, dunkel und schlichtweg langweilig, was zugegeben aber natürlich auch so beabsichtigt ist. Doch genau hier überrascht die Story mit einer plötzlichen Wendung, welche für einen großen Umschwung in „Der Abstieg“ sorgt.

Denn in der zweiten Hälfte des DLCs lässt ihr die Tiefen Wege tatsächlich hinter euch und erkundet ein völlig anderes, deutlich abwechslungsreicheres Gebiet. An dieser Stelle wird natürlich nicht darauf eingegangen, was genau euch dort unten erwarten wird, doch solltet ihr euch auf eine ziemlich surreale Erfahrung einstellen. Selbiges gilt übrigens auch für eure Gegner. Während ihr in den Tiefen Wegen selbstverständlich alte Bekannte in der Form von Dunkler Brut niedermetzelt, erwartet euch im besagten zweiten DLC-Abschnitt eine völlig neue Gegnerfraktion mit einem Technikfortschritt, welcher selbst Varrics Bianca alt aussehen lässt. Doch auch hier wird nun natürlich nicht weiter darauf eingegangen.

Welcher unbekannten Gefahr steht die Inquisition hier wohl gegenüber?

Apropos alte Bekannte: Ihr solltet euch von Beginn weg darauf einstellen, dass euch keine bekannten Gesichter aus früheren Ablegern oder auch dem Hauptspiel über den Weg laufen werden. Abgesehen von euren Gefährten (welche auch neue Kommentare und Bemerkungen bereithalten) wird euch lediglich so wie bei jedem neuen Gebiet Späherin Harding über den Weg laufen, dieses Mal allerdings wieder anders als noch in „Hakkons Fänge“ nicht begleiten. Doch davon abgesehen bietet „Der Abstieg“ keine Rückkehr bekannter Gesichter – also etwa kein Architekt, kein Sandal, oder wen ihr da unten auch immer erwarten würdet.

Stattdessen konzentriert sich euer Abenteuer in den Tiefen Wegen auf zwei neue zwergische Charaktere. Zum einen ist das die Bewahrerin Valta, zum anderen Renn, ein Mitglied der Legion der Toten. Während Renns Charakter das ganze Abenteuer hindurch ziemlich unspektakulär bleibt, wird Valta dafür besonders am Ende eine umso interessantere Zeitgenossin.

Fan-Favoritin Späherin Harding lässt sich natürlich auch dieses Abenteuer nicht entgehen. Begleiten wird sie euch allerdings nicht.

Überhaupt ist das Ende von „Der Abstieg“ das absolute Highlight des DLCs, wenn ihr euch für die langwährende Geschichte rund um Thedas interessiert. Nicht nur werden viele Fragen rund um die zwergische Kultur und ihrem Glauben zum „Stein“ in eine völlig neue Richtung gelenkt, auch endet der Zusatzinhalt mit einer Enthüllung, welche völlig neue Möglichkeiten für die Zukunft des Franchises bietet. Gerade auch Sandal, welcher in Dragon Age: Inquisition weiterhin durch Abwesenheit glänzt, könnte hierdurch Teil vieler neuen Theorien werden.

Doch so wie man es von BioWare kennt, gibt es mehr neue Fragen als Antworten, was vom Inquisitor auch genau so bemerkt wird. Es ist klar, dass BioWare mit diesem DLC wie schon so oft die Zukunft der Dragon Age-Reihe anteasert, ohne allzu viele Details zu enthüllen. Hier heißt es also wie schon bei der Abspanns-Szene des Hauptspiels oder natürlich den ganzen DLCs der ersten beiden Dragon Age-Spielen, auf den nächsten großen Dragon Age-Titel zu warten.

In den Tiefen Wegen sind die Inquisition, Valta und Renn einem Geheimnis auf der Spur, welches die Zukunft von Thedas grundlegend verändern könnte.

Steinhart

Während „Der Abstieg“ spielerisch keinerlei Neuerungen mit sich bringt, hat BioWare sich zumindest bemüht, den Schwierigkeitsgrad deutlich anzukurbeln. So sind einige der Kämpfe in den Tiefen Wege bereits auf den einfacheren Schwierigkeitsgraden extrem fordernd. Die finale Schlacht gegen die Dunkle Brut hat es beispielsweise wirklich in sich und verlangt euch einiges ab – mit der falschen Gefährtenkombination seid ihr hier unter Umständen innert kürzester Zeit am Anschlag. Der Vollständigkeit halber sei hier gesagt, dass der DLC auf „Normal“ getestet und durchgespielt wurde.

In diesem Zusammenhang muss man allerdings auch den speziell für diesen DLC komponierten Soundtrack loben. Ganz besonders hervor sticht dabei der epische Track während der besagten Schlacht gegen die Dunkle Brut, doch auch das restliche musikalische Repertoire während des kurzweiligen Abenteuers weiß voll zu überzeugen. Von emotionalen Stücken bis zu mysteriösen Tracks ist alles dabei und untermalt die jeweilige Szene immer perfekt.

Einen guten Ersteindruck zum Soundtrack des DLCs bekommt ihr im Übrigen bereits durch den offiziellen Trailer. Es sei jedoch vor allfälligen Spoilern gewarnt, welche in diesem Review bewusst umgangen wurden.

Pros, Kontras und weitere Fakten

Im Folgenden findet ihr eine Übersicht der oben erwähnten positiven und negativen Punkte. Unter „weitere Fakten“ verstehen wir Kritikpunkte, welche sich nicht klar als Plus- oder Minuspunkt festlegen lassen und je nach Ansichtssache sowohl gut oder schlecht sein können.

+ Interessante Geschichte, besonders am Ende
+ Einige tolle, surreale Locations
+ Neue Gegnerarten, kaum Gegnerrecycling
+ Toller Soundtrack

+ DLC jederzeit (nach Himmelsfeste) spielbar, Gegnerlevel skaliert mit
+ Gewohnt gute deutsche Vertonung

- So gut wie keine Nebenaufgaben, nur Sammelquests
- Optionale Abzweigungen recht belanglos
- Möglichkeiten am Operationstisch stark limitiert
- Erste DLC-Hälfte recht langweilig
- Nur zwei neue NPCs, einer davon ziemlich belanglos
- Wenig Umfang, viel zu kurze Spielzeit
- Viel zu teuer

~ Kein riesiges neues Gebiet, sondern ein linearerer Ablauf wie in Dragon Age: Origins/II
~ Deutlich knackigere Kämpfe
~ Wertvolle Werkstoffe können nun in noch größeren Mengen eingekauft werden
~ Keine Rückkehr von alten Bekannten

Fazit

„Der Abstieg“ ist ein zweischneidiges Schwert. Zum einen bietet der DLC einige Elemente, welche wirklich toll umgesetzt wurden. Ganz besonders die Enthüllung am Ende der Geschichte ist ziemlich interessant, sofern man sich für die zwergische Kultur und besonders ihren Glauben an den „Stein“ interessiert. Aber auch darüber hinaus bietet die Geschichte gutmöglich entscheidende Auswirkungen auf die Zukunft des Dragon Age-Franchises.

Auf der anderen Seite bietet „Der Abstieg“ nicht vieles, welches sonderlich hervorzuheben wäre. Der Umfang ist gering, die Spielzeit kurz und optionale Beschäftigungen sind so gut wie nicht vorhanden, sofern man nicht gerade auf die mühsame Suche von Zahnrädern abfährt. Auch spielerisch bietet der DLC so gut wie keine Neuerungen.

Alles in allem ist „Der Abstieg“ für Fans auf jeden Fall einen Blick wert, besonders als Zwergenliebhaber. Doch das Preisleistungsverhältnis ist nicht wirklich ausbalanciert und der Umfang des DLCs rechtfertigt anders als noch „Hakkons Fänge“ keinesfalls den hohen Preis von 14,99€. In diesem Sinne ist es womöglich nicht die schlechteste Wahl, abzuwarten bis „Der Abstieg“ irgendwann im Sonderangebot ist.  

Nimaris